Wednesday, May 30, 2007

Die Bergwanderung

Freundlich grüsst der nahe Frühlingsberg in seinem saftigen grün-abgestuften Blätterkleid. Ihn wieder einmal auf der kürzesten und steilsten Route zu bezwingen, danach stand mir der Sinn. Lange ist es her, seit ich diesen Pfad der Jugend das letzte Mal unter die Füsse nahm. Vielleicht hegte ich insgeheim den Wunsch, mir selbst zu beweisen, dass diese Jugend in meinen Gebeinen noch nicht ganz entschwunden war.

Von den beiden jüngsten Töchtern flankiert nehmen wir den lauschigen Bergweg in Angriff. Die Sonne blinkt durch das Blätterwerk, in den Runsen murmeln Bäche, und die grosse Vogelwelt feiert mit ihren eigenen Liedern den jungen Tag. Zum Takt der Schritte pocht das Herz und liefert dem Bergsteiger zuverlässig wie eh und je den nötigen Saft, so zuverlässig, dass man es vergisst. Selbstvergessenheit ist nicht nur das Merkmal des Kindes in seinem Spiel, es ist auch das Merkmal der Gesundheit.
In Verschnaufpausen geniessen wir den sich weitenden Ausblick auf See und Stadt und über die sanften Hügelzüge, gekrönt durch Firnelicht. Über unsern Köpfen tuckert die Seilbahnkabine bergwärts. Mit keiner Faser wünsche ich dort drin zu sitzen. Der höchste Genuss ist jetzt, aus eigener Kraft zu steigen.

Meine Töchtern kümmern sich rührend um mich. Etwas bleich sei ich wohl. Von leichten Absenzen war gar die Rede. Doch empfand ich dies eher als Ausdruck einer zärtlichen Übervorsorge für den geliebten Papa, der nicht weiss, womit er sich diese unerforschliche Zuneigung seiner Sprösslinge verdient hat. Als Belohnung spendiere ich im Bergrestaurant Süssigkeiten und Getränke. Dann wird auf dem Gratweg flott weitermarschiert. Ausblicke in andere Kantone öffnen sich, ins Zugerland, in die Berge rund um den Vierwaldstättersee, und auch die Mythen bei Schwyz glänzen herüber. Die Töchter beschweren sich über meinen zu raschen Schritt. Ich erinnere mich, dass auch mein Vater der wandernden Familie wie eine Lokomotive vorauseilte. Dann geht es wieder abwärts auf leichten Füssen ins Flusstal zurück.

Mit Pausen mögen wir gut drei Stunden unterwegs gewesen zu sein. Es war ein tolles Erlebnis, voller Anklänge, Anmutungen an die eigene Kindheit und ihre Wanderungen. Von einem schwer kranken Herzen habe ich nichts gespürt. Ich fühlte mich gesund und selbstvergessen, auf der Höhe meiner Kraft.

1 comment:

Aurelia said...

Liebe Vati

Danke, dass du mich und d'Antonia i diim Blog verewiget häsch. Da wierds mier grad warm ums Herz.
Ich han die Bergtour total mit eui chönne gnüsse und ich gsehne du au mit euis. Ja, du häsch würklich nid bi jedem Schritt guet usgseh und ich will gar nid drahdänke, wass alles hät chönne passiere. Aber zum Glück isch alles guet verloffe und mier händ äs paar schöni Stunde chönne zäme verbringe. Bald chömmer wiider so ä Tour in Agriff neh. Es brucht nur chlii Geduld. Und wänns so wiit isch, freu ich mich riisig uf die verpassti Reis is Engadin. Dört werde mier die wunderbar Bergluft chönne i euis iisuge und die absolut genial Landschaft gnüsse. Aber au wänn mier nid döt obe sind, wird ich gern wiider emal mit dier dä Pfad vo diinere Jugend beschriite.
Ich han dich ganz doll lieb.
In töchterlicher Liebi

Diini Aurelia