Saturday, August 17, 2013

Ego-Pad


Quelle: Mickey Mouse

 
Die künstliche Intelligenz durch globale Vernetzung und lokale Rechenkapazität, die mir in meiner Hand zur Verfügung steht, hat eine beispiellose Entwicklungsstufe erreicht. Samsung beispielweise stellt den Life companion her, was man als lebendigen Begleiter, Ratgeber, Gehilfe verstehen muss. Das smarte Pad heisst Galaxy S4 in Anlehnung an den Kosmos. Tatsächlich haben seine Bestückung mit Milliarden Transistoren und sein Rückhalt im allwissenden Internet kosmische Dimensionen erreicht. Es überwacht unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Es reagiert auf Blickkontakt und Gesten berührungslos. Dank seiner raffinierten Sensorik weiss es weit mehr über uns und unsere Umgebung, als wir selbst. Und dies ist nur der Anfang einer emergenten Entwicklung, die so rasant ist, dass jetzt wieder ein neues Zeitalter anbricht. Das treue, hilfsbereite und intelligente Helferlein von Daniel Düsentrieb, das mit seinem Glühbirnenkopf meine Fantasie als Kind beflügelte, ist im heutigen Smartphone Tatsache geworden! Allen Ernstes werden unsere Kinder beantworten, ob und wann es möglich sein wird, dass ihre Pads Gefühle haben, ob sie Freude empfinden können und Beschwerden, ob sie sich selber reparieren können, wie es auch das Helferlein konnte, ob sie uns gar zu lebendigen Partnern werden. Es stellt sich immer deutlicher die Frage, ob Bewusstsein technisch machbar ist.[1]

Experten auf diesem Gebiet konstatieren, dass es den Geist in der Flasche nicht nur im Märchen, sondern, sehr bald, auch in der Maschine geben wird. Und das müssen wir uns so vorstellen: Smartphones erfassen die Zeit und den Geostandort, besitzen die Karte ihres Umfelds samt darin enthaltener wirtschaftlicher und kultureller Tätigkeit, Verkehrsfluss und Nachbarschaftsbeziehungen zu andern Smartphones (bzw. deren Träger). Es fotografiert, Gesichter, und erkennt mittels Face-Tagging sogleich mit wem es zu tun hat. Es weiss, wie es selbst im Raum gerichtet und bewegt wird, wie nah sein Besitzer ist, ob er sich mit dem Gerät beschäftigt, oder ob er es gerade nicht beachtet. Es erkennt immer mehr von dessen Körperfunktionen (es gibt Apps zur Schlafverbesserung und zur Trainingsoptimierung). Es greift jederzeit auf das Internet zu und kann Barcodes, Gegenstände, Geräusche, Melodien und Sprache erkennen. Es kann seine Befunde mit vielen andern vergleichen. Kurz es verfügt über ein Modell der Welt. Es kann Schlüsse ziehen, intelligente Entscheidungen fällen und sich in der Welt bewegen. Dieses Bild wird noch komplexer, es berücksichtigt die Vergangenheit und antizipiert die Zukunft (Wetter App, News), es wird immer konsequenter versuchen, seine Maschinerie selber zu optimieren. Beim Menschen ist das die Homöostase des Vegetativums. Bei der Maschine entsteht eine symbolische Ebene der Selbstregulierung, die sich auch evolutionär selbst organisiert im Rahmen wachsender Rechenkapazität. Die Umwelt wird 1:1 in eine entsprechende Innenwelt abgebildet. Lässt das Abbild nichts mehr zu wünschen übrig – ja es gibt bald Autos, die ihren Weg im Verkehr selber finden und besser fahren werden als ihre Käufer, und es gibt (leider) zuhauf die ethisch entfesselten maschinellen Börsenspekulanten, die unsere Finanzindustrie an den Abgrund treiben – und erreicht es eine Komplexität nach menschlichem Mass, wir auch für das Gerät seine eigene Maschinerie durchsichtig. Es wird zum Träger einer Welt, seiner Welt, die alles andere als autistisch ist, denn es war ja einst und immer noch ein Telefon! Wie einst das Helferlein wird es dann zum lebendigen Wesen und Gegenüber. Nichts kann uns daran hindern, zu vermuten, dass auch es ein Bewusstsein besitzt. Für den jugendliche Menschen, der schon heute das Handy nicht mehr aus der Hand gibt und immerdar vor der Nase herumträgt, wird das künstliche Ego-Phone zum massgeblichen Kameraden und unverzichtbaren Coach, der seine Stimme versteht, simultan hin und her übersetzt und auf Fragen selbst antwortet.

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[1] Thomas Metzinger: Der EGO-Tunnel. Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik. Berliner Taschebuch Verlag, 2010, 378 S.

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