Sunday, September 8, 2013

Interface



Buchbesprechung von Klaus Bartels:

„Tanzen statt surfen“ - ein neuer Sammelband des Kilchberger Internet-Physikers

Das Abc von Alpha bis Omega, von A bis Z, der Buchdruck und nun das World Wide Web: das sind ingeniöse, folgenreiche Revolutionen unserer Kommunikation, und wir sind staunende Zeitzeugen der jüngsten. Der Internet-Physiker Bruno Fricker hat sie von Anfang an mit wachem Blick und kritischem Urteil beobachtet und wie früher im „Gemeindeblatt“, so jetzt im „Kilchberger“ stetig begleitet, und soeben ist eine neue, vierte Sammlung seiner Kolumnen erschienen. „Tanzen statt surfen“ hat er sie betitelt; er meint: Man müsse sich auch im Internet als ein guter Tänzer bewähren, auch im Internet zu „führen“ verstehen.

Ja, „verstehen“, aber dazu braucht es einigen Einblick. „Benutzeroberfläche“: Das ist das so nüchtern wie treffend benannte Gesicht oder vielmehr die Maske, die diese digitale Computer- und Internetwelt uns allenthalben zeigt; der gewöhnliche „User“ schaut da obendrauf, aber nicht hinein, geschweige denn hindurch. Gut, dass der Kenner Bruno Fricker hier unter der Rubrik „Computerwelten“ allmonatlich etwas aus der Schule, aus der Werkstatt seines „SPECTRALAB“ plaudert: Da öffnet er mit seiner schmalen Spalte einen kleinen Spalt im Vorhang; da lädt er seine Leser von Mal zu Mal zu einem neuen Blick hinter die Kulissen ein.

Die Sammlung von 51 Beiträgen aus den letzten Jahren präsentiert ein weites Spectrum von hilfreichen Handreichungen des Praktikers bis zu engagierter Gesellschafts- und Internetkritik. Wo da anfangen zu lesen? Die Nr. 1 „Vom Dreibein zum Smartphone“ blickt zurück in die – kurze – Geschichte, der „Hochfrequenzhandel“ glossiert ironisch den zehntelsekundenschnellen, billionendollarschweren Börsenhandel, und Beiträge wie „Watt ihr Volt“ oder „Kreiss-Chat“ reizen die Neugier. Wer unter „Quo vadis Microsoft“ nachliest, darf sich freuen, dass wenigstens die im Format Alphabeta geschriebenen Dateien seit fast drei Jahrtausenden lesbar geblieben sind ... Zwischendurch ist unter dem Titel „PC-Physiker“ ein kleines Selbstporträt des unermüdlichen Helfers in der Not hineingeheimnist, und mit der Wahl des klassischen Schrifttyps „Garamond“ erweist der Autor sich nebenbei als feiner Typograph.

Wer in dem Band von einem zum anderen surft (ja, das geht auch in Büchern!), mag sich staunend – und schaudernd – vergegenwärtigen, auf welche unglaublichen, unheimlichen Zauberkünste wir uns mit dieser jüngsten buchstäblich „umwälzenden“ Revolution eingelassen haben. O Prismata, o Tempora! Bruno Fricker begrüsst die unerhörten Zukunftschancen, die das junge Internet uns bietet. Hoffen wir mit ihm und für die Enkelschar, der er sein Buch gewidmet hat, dass wir uns in diesem weltweiten Netz nicht verstricken, sondern in diesem wirbelnden Tanz mit den rasenden Nullen und Einsen die Führung behalten – oder sagen wir: bekommen!

Klaus Bartels
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Bruno Fricker, Tanzen statt surfen. Kolumnen aus dem Internet, Books on Demand, Norderstedt (D) 2013, 119 Seiten, zu beziehen über jede Buchhandlung
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Klaus Bartels hat in seiner Buchbesprechung (siehe oben) das Interface ins Zentrum gerückt, die Benutzeroberfläche dieser Computer, auf die der Mensch (zit.) obendrauf schaut, aber nicht hinein, geschweige denn hindurch. Ich habe in der letzten Kolumne das Ego-Pad skizziert, das möglicherweise eines nicht allzu fernen Tages bewusst wird und sich damit selbst adaptiert und optimiert, was nichts anderes bedeutet, als dass es, auf Grund seines aktuellen Zustandsbilds der Umwelt, auf seinem inneren Interface die Regler und Schaltflächen autonom bedienen wird. Nun geistert ein dritter Text von Thomas Metzinger in diese Runde, worin der Bewusstseins-Philosoph konstatiert, dass unser Selbstmodell transparent ist. Wir sehen als selbstbewusste Wesen ein Abbild der Welt, in der wir uns als Subjekte bewegen, in der wir beobachten und handeln. Aber wir sehen (normalerweise) jenes Interface nicht, das uns diese Erkenntnisse herbeischafft und zielführenden Aktionen ermöglicht. Wir sehen nicht das Fensterglas, sondern den Vogel, der vorbeifliegt. Ein Pianist, der im Wechselspiel mit einem grossen Orchester ein Klavierkonzert meistert, kann dies mit geschlossenen Augen tun, obgleich seine Finger die 88 Tasten kunstvoll bearbeiten. Wir beobachten und manipulieren das Abbild der Welt, wie es uns erscheint, aber wir bemerken die innere Benutzeroberfläche nicht, auf der wir spielen. Folglich ist es entscheidend, wie ein Maschinen-Interface gestaltet ist, dass es ich nicht wie ein Hindernis zwischen dem Anwender und der Anwendung steht. Wir möchten, dass sich das Interface wie eine dritte Hand bedienen lässt, dass es sich unbewusst in das Körperschema einfügt. Wir möchten, dass die Computer für uns arbeiten und wir Prozesse steuern weit jenseits der Benutzeroberfläche, die wir doch eher ins Pfefferland wünschen. Deshalb war Steven Jobs ein Genie, weil er das ungeheuer leistungsfähige Helferlein (iPhone) mit menschenfreundlichen Gesten bedienbar machte, und darum glaubt Ballmers Microsoft die Kacheloberfläche so hartnäckig verteidigen zu müssen, obgleich wir lieber mit Tastatur und 2Knopf-Maus bis an unser Lebensende weiterfahren möchten. Der Wettbewerb um die beste Benutzeroberfläche ist entbrannt, weil wir sie nicht mehr wahrnehmen möchten. Der Mensch denkt und der Computer lenkt, und die beste Verbindung schafft ein unsichtbares Interface.
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Klaus Bartels auf Wikipedia (Link)
Thomas Metzinger auf Scholarpedia (Link)





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