Buchbesprechung von Klaus Bartels:
„Tanzen
statt surfen“ - ein neuer Sammelband des Kilchberger Internet-Physikers
Das
Abc von Alpha bis Omega, von A bis Z, der Buchdruck und nun das World Wide Web:
das sind ingeniöse, folgenreiche Revolutionen unserer Kommunikation, und wir
sind staunende Zeitzeugen der jüngsten. Der Internet-Physiker Bruno Fricker hat
sie von Anfang an mit wachem Blick und kritischem Urteil beobachtet und wie
früher im „Gemeindeblatt“, so jetzt im „Kilchberger“ stetig begleitet, und
soeben ist eine neue, vierte Sammlung seiner Kolumnen erschienen. „Tanzen statt
surfen“ hat er sie betitelt; er meint: Man müsse sich auch im Internet als ein
guter Tänzer bewähren, auch im Internet zu „führen“ verstehen.
Ja,
„verstehen“, aber dazu braucht es einigen Einblick. „Benutzeroberfläche“: Das ist das so nüchtern wie treffend benannte
Gesicht oder vielmehr die Maske, die diese digitale Computer- und Internetwelt
uns allenthalben zeigt; der gewöhnliche
„User“ schaut da obendrauf, aber
nicht hinein, geschweige denn hindurch. Gut, dass der Kenner Bruno Fricker
hier unter der Rubrik „Computerwelten“ allmonatlich etwas aus der Schule, aus
der Werkstatt seines „SPECTRALAB“ plaudert: Da öffnet er mit seiner schmalen
Spalte einen kleinen Spalt im Vorhang; da lädt er seine Leser von Mal zu Mal zu
einem neuen Blick hinter die Kulissen ein.
Die
Sammlung von 51 Beiträgen aus den letzten Jahren präsentiert ein weites
Spectrum von hilfreichen Handreichungen des Praktikers bis zu engagierter
Gesellschafts- und Internetkritik. Wo da anfangen zu lesen? Die Nr. 1 „Vom
Dreibein zum Smartphone“ blickt zurück in die – kurze – Geschichte, der
„Hochfrequenzhandel“ glossiert ironisch den zehntelsekundenschnellen,
billionendollarschweren Börsenhandel, und Beiträge wie „Watt ihr Volt“ oder
„Kreiss-Chat“ reizen die Neugier. Wer unter „Quo vadis Microsoft“ nachliest,
darf sich freuen, dass wenigstens die im Format Alphabeta geschriebenen Dateien
seit fast drei Jahrtausenden lesbar geblieben sind ... Zwischendurch ist unter
dem Titel „PC-Physiker“ ein kleines Selbstporträt des unermüdlichen Helfers in
der Not hineingeheimnist, und mit der Wahl des klassischen Schrifttyps
„Garamond“ erweist der Autor sich nebenbei als feiner Typograph.
Wer
in dem Band von einem zum anderen surft (ja, das geht auch in Büchern!), mag
sich staunend – und schaudernd – vergegenwärtigen, auf welche unglaublichen,
unheimlichen Zauberkünste wir uns mit dieser jüngsten buchstäblich
„umwälzenden“ Revolution eingelassen haben. O Prismata, o Tempora! Bruno
Fricker begrüsst die unerhörten Zukunftschancen, die das junge Internet uns
bietet. Hoffen wir mit ihm und für die Enkelschar, der er sein Buch gewidmet
hat, dass wir uns in diesem weltweiten Netz nicht verstricken, sondern in
diesem wirbelnden Tanz mit den rasenden Nullen und Einsen die Führung behalten
– oder sagen wir: bekommen!
Klaus
Bartels
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Bruno
Fricker, Tanzen statt surfen. Kolumnen aus dem Internet, Books on Demand,
Norderstedt (D) 2013, 119 Seiten, zu beziehen über jede Buchhandlung
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Klaus
Bartels hat in seiner Buchbesprechung (siehe oben) das Interface ins Zentrum gerückt, die
Benutzeroberfläche dieser Computer, auf die der Mensch (zit.) obendrauf schaut, aber nicht hinein,
geschweige denn hindurch. Ich habe in der letzten Kolumne das Ego-Pad
skizziert, das möglicherweise eines nicht allzu fernen Tages bewusst wird und
sich damit selbst adaptiert und optimiert, was nichts anderes bedeutet, als
dass es, auf Grund seines aktuellen Zustandsbilds der Umwelt, auf seinem
inneren Interface die Regler und Schaltflächen autonom bedienen wird. Nun
geistert ein dritter Text von Thomas
Metzinger in diese Runde, worin der Bewusstseins-Philosoph konstatiert,
dass unser Selbstmodell transparent
ist. Wir sehen als selbstbewusste Wesen ein Abbild der Welt, in der wir uns als
Subjekte bewegen, in der wir beobachten und handeln. Aber wir sehen
(normalerweise) jenes Interface nicht, das uns diese Erkenntnisse herbeischafft
und zielführenden Aktionen ermöglicht. Wir
sehen nicht das Fensterglas, sondern den Vogel, der vorbeifliegt. Ein Pianist,
der im Wechselspiel mit einem grossen Orchester ein Klavierkonzert meistert, kann
dies mit geschlossenen Augen tun, obgleich seine Finger die 88 Tasten kunstvoll
bearbeiten. Wir beobachten und manipulieren das Abbild der Welt, wie es uns
erscheint, aber wir bemerken die innere Benutzeroberfläche nicht, auf der wir
spielen. Folglich ist es entscheidend, wie ein Maschinen-Interface gestaltet
ist, dass es ich nicht wie ein Hindernis zwischen dem Anwender und der
Anwendung steht. Wir möchten, dass sich das Interface wie eine dritte Hand
bedienen lässt, dass es sich unbewusst in das Körperschema einfügt. Wir möchten,
dass die Computer für uns arbeiten und wir Prozesse steuern weit jenseits der
Benutzeroberfläche, die wir doch eher ins Pfefferland wünschen. Deshalb war
Steven Jobs ein Genie, weil er das ungeheuer leistungsfähige Helferlein (iPhone)
mit menschenfreundlichen Gesten bedienbar machte, und darum glaubt Ballmers
Microsoft die Kacheloberfläche so hartnäckig verteidigen zu müssen, obgleich
wir lieber mit Tastatur und 2Knopf-Maus bis an unser Lebensende weiterfahren
möchten. Der Wettbewerb um die beste Benutzeroberfläche ist entbrannt, weil wir
sie nicht mehr wahrnehmen möchten. Der Mensch denkt und der Computer lenkt, und
die beste Verbindung schafft ein unsichtbares Interface.
---Klaus Bartels auf Wikipedia (Link)
Thomas Metzinger auf Scholarpedia (Link)